Recycling

Die Vision vom Tray-to-tray-Recycling

13.12.2023 | 8 Minuten Lesezeit
Sebastian Diensthuber

Wie zukünftig nicht mehr nur PET-Flaschen als Recycling-Kunststoff zum Einsatz kommen und neue Kunststoff-Ströme erschlossen werden sollen

Geht es nach der EU und der derzeit in Planung befindlichen Packaging and Packaging Waste Regulation sollen Lebensmittelverpackungen und Einweggetränkeflaschen ab 2030 mindestens 30 Prozent Rezyklat enthalten. Ab 2040 sollen diese verpflichtenden Quoten auf 50 bzw. 65 Prozent steigen.1 Und auch immer mehr Konsument:innen verlangen nach nachhaltigen Verpackungen. Doch woher können diese Recycling-Kunststoffe stammen? Wir beleuchten im folgenden Artikel die Herausforderungen beim Kunststoff-Recycling, zeigen, welche bedeutende Rolle r-PET für zukünftige Verpackungen spielen kann und wie der Zukunftstraum vom Tray-to-tray-Recycling trotz bestehender Herausforderungen gelingen kann. 

Bottle-to-bottle: Kunststoff-Recycling wie es sein sollte

Der Recycling-Kreislauf von Kunststoffflaschen ist einfach erklärt: Gebrauchte PET-Flaschen werden entweder über die getrennte Sammlung im Haushaltsabfall, über Wertstoffhöfe oder Rückgabeautomaten in Supermärkten gesammelt und vorsortiert. Die sortierten PET-Flaschen werden dann zerkleinert, um PET-Flakes zu erzeugen. Diese Flakes werden gründlich gereinigt, um Verunreinigungen wie Lebensmittelreste, Etiketten und Klebstoffe zu entfernen. Nach der Reinigung werden die Flakes oft nach Farbe und Qualität sortiert. Dies ist wichtig, da die Farbe und Reinheit der Flakes die Qualität des Endprodukts beeinflussen. Die gereinigten PET-Flakes können dann einer weiteren Aufbereitung unterzogen werden. Dazu gehört unter anderem das Erhitzen und Entgasen, um verbleibende Verunreinigungen und Gerüche zu entfernen. PET lässt sich so gemäß den Anforderungen für den Kontakt mit Lebensmitteln dekontaminieren. Die aufbereiteten Flakes können dann zu Rezyklat weiterverarbeitet werden. Dies kann in Form von Granulat sein, das als Rohstoff für neue PET-Produkte dient, oder durch direktes Einbringen der Flakes in Produktionsprozesse. Aus dem PET-Rezyklat werden schließlich neue Produkte hergestellt. Dazu gehören nicht nur neue PET-Flaschen, sondern auch Fasern für Textilien, Verpackungsmaterialien und andere Kunststoffprodukte. Die aus Rezyklat hergestellten neuen Produkte gelangen wieder in den Konsumkreislauf, wo sie erneut verwendet und schließlich wiedergesammelt werden können.

Der Recyclingprozess

Theorie vs. Praxis: Recycling-Kunststoff ja, aber…

Was in der Theorie gut klingt, hat nur einen Haken: r-PET-Flakes, die einmal dem Flaschenstrom entnommen wurden – um beispielsweise in einer anderen Lebensmittelverpackung eingesetzt zu werden –, werden aktuell aufgrund der komplexen Sammelinfrastruktur nicht mehr in diesen zurückgeführt. Derzeit erfüllt aber nur r-PET aus PET-Flaschen alle notwendigen Anforderungen, die einen Einsatz für Lebensmittelverpackungen möglich machen. Denn um lebensmittelkonform zu sein, muss ein Anteil von 95 Prozent des Inputmaterials – das heißt der Kunststoff-Flakes – von Lebensmittelverpackungen stammen. Das ist bei PET-Flaschen leicht zu garantieren, bei vielen anderen Kunststoffverpackungen aus dem Haushaltsmüll jedoch nicht. Auch wenn Verpackungen getrennt gesammelt werden – etwa im gelben Sack oder der gelben Tonne –, setzt sich der Abfall dennoch aus Verpackungen unterschiedlichster Materialien und Formen zusammen. Durch verschiedene Sortierverfahren ist in Recyclinganlagen zwar eine Trennung bis zu einem gewissen Grad möglich (etwa nach Material), allerdings macht die Vielfalt der Verpackungen die Sortierprozesse derzeit noch schwierig, aufwändig und nicht zuletzt bei kleinen Mengen auch unwirtschaftlich. PET-Flaschen lassen sich im Gegensatz dazu leicht sortieren und weiterverwerten. Doch die Branche blickt optimistisch in die Zukunft: Technologische Weiterentwicklungen können bis zu einem gewissen Grad auch die Möglichkeiten der Abfalltrennung und -sortierung erweitern, künstliche Intelligenz kann künftig dabei eine wichtige Rolle spielen. 

Hoffnung r-PET

Derzeit ruhen die Hoffnungen von nachhaltigen Verpackungslösungen deshalb auf den Schultern von r-PET – das hauptsächlich aus Flaschenströmen recycelt wird. Als derzeit nahezu einziges, mechanisch recyceltes Material gilt r-PET als lebensmittelkonformes Material und kann daher für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden. r-PET ist gut am Markt verfügbar und dank seiner hohen Qualität ein beliebtes Material für Verpackungen, die hoher Transparenz bedürfen oder – aufgrund seiner guten Barriereeigenschaften – für Produkte, die vor äußeren Einflüssen gut geschützt werden müssen.

Der Flaschenstrom bedingt die hohe Qualität von r-PET

Recyceltes PET, das derzeit für Verpackungen zum Einsatz kommt, wird, wie oben erwähnt, vorwiegend aus sogenannten Flaschenströmen gewonnen. Kunststoff-Sammel-Ströme für PET-Getränkeflaschen funktionieren in vielen Ländern der Welt gut, PET-Flaschen sind daher in großer Menge für das Recycling vorhanden. Neben der hohen Sammelquote bieten die Flaschen einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie sind meist transparent (oder bläulich) und undekoriert bzw. nur mit einem einfach ablösbaren Etikett oder Sleeve versehen. Das wirkt sich positiv auf die Qualität des Recyclingmaterials aus. Denn aus einem Recyclingprozess, in den hauptsächlich transparentes, unbedrucktes Material eingebracht wird, kommt auch ebenso reines Material wieder heraus. Besonders diese Transparenz macht r-PET zu einem beliebten Material für Verpackungen, die nicht nur nachhaltig, sondern auch optisch überzeugend sein sollen.

Alternative Kunststoff-Ströme etablieren – die Herausforderungen

Doch auch wenn die Verfügbarkeit von r-PET bereits verhältnismäßig gut ist – die Nachfrage nach dem Material lässt den Wunsch nach neuen Quellen aufkommen. Das große Ziel der Zukunft ist es deshalb, auch r-PET aus Becher- oder Blisterverpackungen wieder in das Recycling zurückführen zu können. Etabliert werden soll ein sogenannter Tray-to-tray-Recycling-Strom. Damit ist die Schaffung eines Abfallstroms gemeint, in dem auch Becher, Wannen, Trays etc. aus PET wieder recycelt und zu neuen Verpackungen verarbeitet werden können. Zur Realisierung dieses Ziels sind aber vor allem zwei konkrete Herausforderungen zu überwinden: 

  • Sortier- und Trenntechnologien: Eine wesentliche Herausforderung ist die effektive Sortierung und Trennung der verschiedenen Materialien. Viele Verpackungen bestehen aus einer Kombination von Materialien (wie Kunststoff, Papier, Metall), die schwierig zu trennen sind. Die Entwicklung und Implementierung fortschrittlicher Sortiertechnologien ist daher entscheidend.
     
  • Wirtschaftlichkeit: Die Kosten für das Sammeln, Sortieren und Recyceln von Materialien können hoch sein, insbesondere im Vergleich zur Nutzung neuer Rohstoffe. Dies stellt eine wirtschaftliche Herausforderung dar, vor allem in Märkten, wo die Kosten für neue Materialien relativ niedrig sind.

Darüber hinaus gilt es gesetzliche und regulatorische Anforderungen, aber auch mögliche Qualitätsverluste beim Recycling zu beachten. Auch die Motivation und das Engagement der Konsument:innen spielt eine entscheidende Rolle: Je früher die Materialien wieder den richtigen Strömen zugeordnet werden können, desto besser fallen die Erträge und Qualitäten am Ende des Kreislaufs aus. 

Herausforderungen wie diese erfordern kontinuierliche Forschung und Entwicklung, verbesserte regulatorische Rahmenbedingungen und ein stärkeres Bewusstsein und Engagement von Seiten der Verbraucher:innen und der Industrie, um das Tray-to-tray-Recycling effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Es wird in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen – die Verpackungsbranche arbeitet daher bereits intensiv daran, das Ziel eines funktionierenden Tray-to-tray-Recyclings zu verwirklichen. Viele Unternehmen haben erste Projekte umgesetzt und auf den Markt gebracht. Vorreiter wie diese sind es, die die Branche auch künftig voranbringen werden. 

 

 

1 https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2023/745707/EPRS_BRI(2023)745707_EN.pdf

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