
Paperization: Sind Papierverpackungen die nachhaltigere Wahl?

Im Bestreben nach nachhaltigeren Lösungen prüfen immer mehr Lebensmittelproduzenten den Einsatz von Papierverpackungen, denn Papier wird von den Konsument:innen als umweltfreundlich wahrgenommen. Der Trend hin zu faserbasierten Verpackungen zeigt sich in einer Vielzahl von innovativen Prototypen, von der Papierflasche bis hin zu speziellen Kartonverpackungen. Doch sind Papierverpackungen tatsächlich die nachhaltigere Wahl? Wir werfen einen Blick hinter die Fassade von Paperization und stellen Annahmen und Mythen zu Papierverpackungen auf den Prüfstand.
Eine eierlegende Wollmilchsau – das sollten moderne Verpackungen im Idealfall sein: Sie sollen das Produkt bestmöglich schützen, praktisch in der Nutzung, haptisch ansprechend und optisch außergewöhnlich sein, dazu kosteneffizient und umweltfreundlich. Gerade letzteres hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen: Immer mehr Konsument:innen achten auf einen nachhaltigen Einkauf und nehmen dabei auch Verpackungen ganz genau unter die Lupe. Zusätzlich steigt der Druck aus der Politik: Die PPWR, die Packaging and Packaging Waste Regulation der EU, ist der aktuellste Schritt, um eine Kreislaufwirtschaft zu forcieren und Verpackungsmüll drastisch zu reduzieren. Unternehmen sind daher zwangsläufig auf der Suche nach umweltfreundlichen Verpackungslösungen. Im Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit, greifen immer mehr Lebensmittelproduzenten und Handelsketten zu Papierverpackungen – oder genauer gesagt zu faserbasierten Verpackungen.
Dieser Blogartikel ist in drei Teile gegliedert:
Papier und sein umweltfreundliches Image
„Paperization“ heißt der Trend, bei dem versucht wird, Kunststoff im Verpackungsbereich durch Papier zu ersetzen. Der Schritt erscheint auf den ersten Blick fast logisch: Papier hat in der Gesellschaft ein gutes Image. Das Material gilt als nachwachsender Rohstoff, wird also als nachhaltig und umweltfreundlich wahrgenommen. Es hat eine angenehme Haptik und lässt sich aufmerksamkeitsstark gestalten. Die positive ökologische Wahrnehmung in der Bevölkerung, dazu das Image, das Unternehmen nur zu gerne für ihre eigenen Produkte übernehmen – alles Gründe, warum Paperization boomt.
1. Papier ist nicht gleich Papier
Vorteile:
Papier bietet als Material den Vorteil, dass es aus einem nachwachsenden Rohstoff hergestellt wird und unter natürlichen Bedingungen verrotten kann. Papier verrottet jedoch nur dann optimal, wenn es nicht durch Lebensmittelreste oder andere Verschmutzungen zu stark belastet wird. Darüber hinaus ist es wichtig, darauf zu achten, dass das verwendete Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Denn bei nicht nachhaltiger Holzgewinnung und übermäßiger Abholzung verliert Papier seinen ökologischen Nutzen und kann zur Waldzerstörung beitragen. Hinzu kommt, dass das Herauslösen der Fasern und die Gewinnung von Zellstoff ein energieaufwändiger und ressourcenintensiver Prozess ist. In der EU, den USA und China wird ein Großteil der verarbeiteten Primärfasern importiert, wodurch sich die ökologischen Auswirkungen der Papierproduktion oft in Länder wie Kanada oder Brasilien verlagern. Eine bessere Umweltbilanz als Papier aus Frischfasern hat Recyclingpapier: Es schont die Wälder und benötigt weniger Energie und Wasser.
Nachteile:
Ein Nachteil von Papierverpackungen ist, dass sie in Abfüllanlagen langsamer laufen als Kunststoffverpackungen. Dies stellt insbesondere in der Dairy-Branche, wo immense Stückzahlen abgefüllt werden, einen erheblichen Nachteil dar, da ein langsamerer Abfüllprozess die Effizienz und Produktivität deutlich beeinträchtigen kann. Papier ist außerdem weder wasser- noch fettabweisend. Für Getränke oder feuchte Speisen benötigt Papier deshalb eine entsprechende Beschichtung. Eine Kunststoffbeschichtung verlängert die Haltbarkeit von abgepackten Lebensmitteln, macht das Recycling aber wesentlich schwieriger und aufwändiger. Auf den ersten Blick werden beschichtete Verbunde als Papier wahrgenommen, den Konsument:innen ist somit oft gar nicht bewusst, dass sie eine Verpackung mit einem signifikanten Kunststoffanteil in Händen halten. Genau solche beschichteten Papier- und Karton-Verpackungen sind es, die in der Kategorie faserbasierte Verpackungen zusammengefasst werden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass faserbasierte Verpackungen neben beschichteten Papier- und Kartonverpackungen auch klassische Wellpappe-Kartons, Papiertüten, etc. umfassen. In die Kategorie faserbasierte Verpackungen gehören aber auch Karton-Kunststoff-Kombinationen, also Kunststoffbecher mit einem Kartonmantel, da diese die Anforderung von mind. 50 % Faserstoff in der Regel erfüllen. Bei Karton-Kunststoff-Kombinationen können die beiden Wertstoffe Karton und
Kunststoff im Gegensatz zu beschichteten Papierverpackungen einfach getrennt werden.
2. Herausforderung Beschichtung
In der Beschichtung des Grundmaterials liegt auch die umwelttechnische Herausforderung für faserbasierte Verpackungen:
- Materialzusammensetzung: Papierverpackungen für Lebensmittel bestehen selten aus reinem Papier, sondern aus beschichteten oder laminierten Papierstrukturen, die Kunststoff oder andere Anteile enthalten. Diese Beschichtungen sind notwendig, um die Barriereeigenschaften zu verbessern und die Haltbarkeit der Produkte zu gewährleisten.
- Recyclingfähigkeit: Die untrennbare Verbindung von Papier und Kunststoff erschwert das Recycling. Während reines Papier und reiner Kunststoff relativ einfach getrennt und recycelt werden können, stellen beschichtete Papierverpackungen eine Herausforderung für die Recyclingindustrie dar.
Es zeigt sich, dass die Frage nach einer nachhaltigen Verpackungslösung häufig komplexer ist als angenommen – denn das eine ideale Material für alle Produkte, bezogen auf Schutz und Ökologie, existiert nicht: Nüsse und Schokolade, die schnell
ranzig werden, stellen andere Ansprüche an eine Verpackung als beispielsweise Nudeln. Auch flüssige oder fettige Lebensmittel brauchen andere Verpackungen als etwa Haferflocken. Auf der Suche nach einer ökologischen Verpackung müssen deshalb die Ansprüche an diese genau betrachtet und in Folge die Umweltlasten der jeweils in Frage kommenden Verpackungen analysiert werden.
Warum braucht es überhaupt eine Beschichtung?
Papierverpackungen für Lebensmittel enthalten häufig eine Kombination aus Papier und Kunststoff, um spezifische Anforderungen zu erfüllen – während das Papier als Basismaterial der Verpackung Struktur und Form bietet, dient die dünne Beschichtung aus Polyethylen oder anderen Kunststoffen als Barriere gegen Feuchtigkeit, Fett und andere Substanzen, die die Verpackung durchdringen und das Lebensmittel verderben könnten:
- Feuchtigkeitsbarriere: Lebensmittel wie Milchprodukte, die einen hohen Wassergehalt haben, benötigen eine Barriere, um die Feuchtigkeit im Inneren zu halten und das Eindringen von Feuchtigkeit von außen zu verhindern. Reines Papier ist saugfähig und würde ohne Beschichtung schnell durchweichen und seine Struktur verlieren.
- Fettbarriere: Bei fetthaltigen Lebensmitteln, wie Butter oder Käse, verhindert eine Kunststoffschicht, dass Fett durch das Papier dringt und die Verpackung beschädigt.
- Sauerstoffbarriere: Viele Lebensmittel reagieren empfindlich auf Sauerstoff, was zum Verderben oder zu Qualitätsverlust führen kann. Eine Kunststoffbeschichtung kann das Eindringen von Sauerstoff verhindern und somit die Haltbarkeit der Lebensmittel verlängern.
- Mikrobiologische Sicherheit: Kunststoffbeschichtungen tragen dazu bei, das Eindringen von Mikroorganismen zu verhindern, die das Lebensmittel ebenfalls verderben könnten.
Barriere: Haltbarkeit ohne Konservierungsstoffe
Die Barriere sorgt also für längere Haltbarkeit, wodurch Konservierungsstoffe oftmals überflüssig werden. Ob eine Barriereschicht sinnvoll ist, lässt sich aber nicht generell sagen, zu unterschiedlich sind Lebensmittel und ihre Anforderungen: Bei Lebensmitteln, die kühl gelagert werden und ohnehin nur zwei, drei Wochen haltbar sind, werden deshalb andere Verpackungen verwendet als für Lebensmittel, die bei Raumtemperatur gelagert werden und monatelang haltbar sein sollen. Hier braucht es besseren Schutz.
Sauerstoff- vs. Wasserdampf-Barriere
Durch die Beschichtungen kann die Verpackung sowohl die Qualität als auch die Sicherheit der Lebensmittel gewährleisten. Dies ist besonders wichtig für Produkte mit längerer Haltbarkeitsdauer und solche, die in einem feuchten oder variablen Klima gelagert werden. Nicht nur in Papierverpackungen spielt das Thema Barriere deshalb eine entscheidende Rolle – soll für ein Produkt das richtige Verpackungsmaterial ausgewählt werden, gilt es zu Beginn vor allem zwei Parameter zu beachten: die Sauerstoffdurchlässigkeit (OTR: Oxygen Transmission Rate) und die Wasserdampfbarriere (WVTR: Water Vapor Transmission Rate). Beide Werte gewährleisten die Frische, Qualität und Haltbarkeit der Produkte.
OTR-WTR Grafik
Laden Sie die Grafik herunter, um einen Überblick über die Barriereeigenschaften verschiedener Lebensmittelkategorien zu erhalten.
Exemplarisch für einzelne Kategorien bedeutet dies:
- Vielzahl an unterschiedlichen Produkten.
- Molkereiprodukte sind anfällig für Oxidation, die ihren Geschmack, Geruch und Nährwert beeinträchtigen kann. Eine niedrige OTR sorgt dafür, dass weniger Sauerstoff in die Verpackung eindringt, was die Haltbarkeit und Qualität des Produkts verlängert.
- Molkereiprodukte haben oft eine bestimmte Feuchtigkeitsbalance, die für ihre Textur und Konsistenz wichtig ist. Eine niedrige WVTR verhindert, dass Feuchtigkeit aus dem Produkt entweicht oder dass externe Feuchtigkeit eindringt.
- Ethylen-Vinyl-Alkohol (EVOH)-Barrie als zusätzliche Schutzschicht.
- Sehr niedrige OTR und WVTR.
- Unbedingter Schutz vor Sauerstoff, um Aroma und Frische zu bewahren.
- Sehr niedrige OTR notwendig.
- Hoher Fettgehalt.
- Niedrige OTR und WVTR Werte notwendig.
- Hohe OTR, um den Atmungsprozess aufrechtzuerhalten.
- Mittlere WVTR, um Feuchtigkeitsverlust und -aufnahme zu vermeiden und Frische sicherzustellen.
Recycling von beschichteten Verpackungen
Nun mögen Beschichtungen in Papierverpackungen notwendig sein, um die Qualität und Sicherheit der darin verpackten Lebensmittel zu gewährleisten – für die Recyclingindustrie stellen sie aber eine Herausforderung dar. Werden nur einseitig beschichtete Papierverpackungen dem Papierstrom zugeordnet, sind sie grundsätzlich recyclingfähig. Die unterschiedlichen Materialien müssen zunächst aber voneinander getrennt werden. Und das erfordert bei beidseitig beschichteten Verpackungen (wie sie etwa für nasse Lebensmittel eingesetzt werden müssen) kostenintensive spezialisierte Anlagen und Prozesse, die nicht in allen Recyclinganlagen vorhanden sind. Das kann dazu führen, dass viele dieser Verpackungen erst gar nicht recycelt werden. Damit gehen nicht nur wertvolle Ressourcen verloren – werden diese verbrannt oder landen auf Deponien, hat diese ursprünglich als besonders nachhaltig wahrgenommene Verpackung einen deutlich schlechteren Einfluss auf Klima und Umwelt als zuvor gedacht.
3. Papier + Kunststoff: Das beste aus beiden Welten?
Eine Möglichkeit, die Vorteile von Papier und Kunststoff zu kombinieren, sind Karton-Kunststoff-Kombinationen: Durch das Einsparen von Kunststoff werden CO2e-Emissionen deutlich reduziert, das Produkt ist im dünnwandigen Kunststoffbecher optimal geschützt und die Barriereeigenschaften des Materials tragen zur Haltbarkeit und Sicherheit des Lebensmittels bei. Der Kartonmantel sorgt für die Stabilität der Verpackung, eine angenehme Haptik und den nachhaltigen Look, den Konsument:innen zu schätzen wissen. Außerdem werden dank Kartonmantel mehr als 30 % Kunststoff eingespart. Der große Vorteil dieser Verpackungsvariante: Karton und Kunststoff können ganz einfach voneinander getrennt, recycelt und dem richtigen Materialstrom zur Wiederverwertung zugeführt werden. Doch nicht immer trennen Verbraucher:innen Kartonmantel und Kunststoffbecher voneinander, bevor sie den Becher im Abfall entsorgen – das führt im Recycling zu Schwierigkeiten. Mit der Innovation K3® r100 hat sich Greiner Packaging dieses Problems angenommen: Kartonwickel und Kunststoffverpackung werden während des Abfall-Entsorgungsprozesses ohne menschliche Einwirkung voneinander getrennt.
Das Erreichen exzellenter Recyclingfähigkeit ist dadurch nicht, wie bei allen bisherigen Karton-Kunststoff-Verpackungen, von der korrekten Trennung durch Konsument:innen abhängig, sondern passiert völlig selbstständig im Prozess der Abfall-Entsorgung. Ein entscheidender Schritt zu mehr Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit – doch noch nicht der Weisheit letzter Schluss, da die einzelnen Sortieranlagen auch über die entsprechenden Sortiermöglichkeiten für die voneinander getrennten Papier- und Kunststoff-Bestandteile verfügen müssen (und das noch nicht überall in der EU der Fall ist). Die Recyclingfähigkeit seiner Karton-Kunststoff-Kombinationen ist Greiner Packaging ein großes Anliegen – und wird deshalb kontinuierlich auf den Prüfstand gestellt und weiterentwickelt.
Gemeinsam in Richtung Kreislaufwirtschaft
Wie man es auch dreht und wendet: Die eine perfekte Verpackung gibt es nicht – sowohl beschichtete Papierverpackungen als auch Karton-Kunststoff-Kombinationen haben ihre Vor- und Nachteile. Entscheidend ist, dass die Materialien passend für den jeweiligen Einsatzzweck gewählt werden, um sowohl Funktionalität als auch Recyclingfähigkeit zu gewährleisten. Gerade Lebensmittel mit hohen Barriereanforderungen sind aber in Kunststoffverpackungen (oder in Karton-Kunststoff-Kombinationen) aufgrund der Materialeigenschaften besser aufgehoben als in beschichteten Papierverpackungen. Um echte Nachhaltigkeit zu erreichen, ist deshalb aktuell eine differenzierte Herangehensweise notwendig. Jedem Produkt die richtige nachhaltige Verpackung – dafür setzt sich Greiner Packaging mit seinem Verpackungs-Know-how ein. Auch faserbasierte Verpackungen werden dabei intensiv diskutiert. Zukünftige Entwicklungen werden zeigen, wie der nächste Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft aussehen kann.
Papier & Kunststoff
- Nachwachsender Rohstoff (wenn aus nachhaltiger Forstwirtschaft)
- Biologisch abbaubar (wenn nicht zu stark verschmutzt)
- Ansprechende Haptik
- Hohe Barriere-Eigenschaften
- Recyclingfähig (unter Beachtung der Design for Recycling Guidelines)
- Effiziente Abfüllung